Der 17-jährige Franz Huchel verlässt seine Heimat Nußdorf im Salzkammergut, um im fernen Wien eine Lehre als Trafikant anzutreten. Es wird das Jahr 1937 geschrieben. Noch unbeleckt von den politischen Umbrüchen, entdeckt Franz das Großstadtleben und seine vermeintlich unsterbliche Liebe zur böhmischen Varietétänzerin Anezka. Wie so oft liegen Freud und Leid dicht beieinander. Diesmal durchaus im wörtlichen Sinne, denn der junge Franzl lernt Sigmund Freud, Zigarrenliebhaber und Stammkunde der Trafik, kennen.
Zwischen den beiden entwickeln sich zarte Bande einer wunderlichen Freundschaft – von Freud aus eher zögerlich, umso enthusiastischer von Franz vorangetrieben. Doch bald bricht die braune Pest auch in das kleine Leben des jungen Mannes ein und die Liebe zu Anezka schlägt schmerzhafte Kerben in sein Herz. Vollends wird Franzens Alltag auf den Kopf gestellt, als er plötzlich allein die Trafik führen muss und Freud seine Abreise nach England plant.
Der österreichische Autor Seethaler („Die weiteren Aussichten“) legt mit diesem Buch seinen vierten Roman vor. Wieder einmal gelingt ihm ein vortreffliches Stück Literatur. Wie der Text so leicht daher kommt, die Worte betörend dahin fließen und dann mit voller Wucht ihre Wirkung entfalten, ist eine Lust. Seethaler schafft es, mit fragilen Formulierungen den brutalen Schrecken der Zeit nachhaltig zu beschreiben. Und wie er den Franzl in dessen grenzenloser Naivität Fragen an den großen „Herrn Professor“ stellen lässt, dass Freud beinah an seinen eigenen Thesen zu zweifeln beginnt, ist so kunstvoll wie witzig, denn Seethalers Meisterhaftigkeit besteht – auch – darin, elegant eine Brücke zwischen Ernst und Humor zu schlagen. Ein schmaler Band, in dem die Weisheit von 1.200 Seiten Wälzern steckt.
4 von 5 Punkten