In der Kleinstadt Crosby, an der Küste Maines, sammeln sich die verschiedenen menschlichen Schicksale. Da ist die Barpianistin Angela O’Meara mit Hang zu Alkohol und zum verheirateten Malcolm. Wir lernen Jane und Bob kennen. Obwohl reich an (Ehe-) Jahren, hadern sie noch immer mit Bobs Seitensprung. Strout stellt Familie Larkin vor, deren Sohn, trotz fürsorglicher Erziehung, zum Mörder wurde. Und da ist Henry Kitteridge, vor seiner Pensionierung der Apotheker des Ortes, verheiratet mit der ehemaligen Mathematiklehrerin Olive. Olive weiß über jeden und alles in Crosby Bescheid, ist bärbeißig, hat Mann und Sohn im Griff. Die Figur der Olive ist es auch, die den in Episoden unterteilten Roman als roten Faden durchzieht und damit zusammenhält. Irgendwie zumindest.
In kaum einer Geschichte kann man sich retten vor der bleischweren Melancholie des Romans. Teilweise interessant, aber auch schwermütig sind die Geschichten der Menschen in Crosby. Allzu häufig reihen sich ihre tragischen Leben aneinander, ohne einen erleichternden Moment der Hoffnung. In den Episoden deutet die Autorin die Schicksale nur an. Figuren tauchen auf wie im dichten Nebel Neuenglands und verschwinden ebenso schnell im wabernden Nichts.
Hier sei die Gretchenfrage erlaubt: Was will uns Strout mit ihrem Roman sagen? Vielleicht: In Maine ist es wenig lustig und die Welt ein Jammertal. Die Autorin und Juristin schrieb mit „Mit Blick aufs Meer“ einen dieser typischen Romane, die die ganze Welt erklären wollen, dabei zu wenig zu erzählen haben. Keine der Figuren berührt wirklich, allzumal Olive bis zur letzten Seite unangenehm bleibt. Jedes Mal, wenn eine der Protagonisten ihren Charakter zaghaft entfaltet, ist die Geschichte schon zu Ende. Bedeutungsschwanger täuscht der episodenhafte Schreibstil mehr Sinngehalt vor als drinsteckt. Erneut wurde der Pulitzerpreis an einen überschätzten Roman verliehen. Insgesamt ist das Buch kein großes Ärgernis beim Lesen, aber eben auch kein großer Wurf.
3 von 5 Punkten