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Christiane Neudecker, „Sommernovelle“

Oktober 4th, 2015 ·

In der Zeit der zwischen Vor- und Nachwende wollen die beiden Teenies Lotte und Panda zwei Sommerwochen auf einer Nordseeinsel in einer Vogelstation aushelfen. Sie wollen sich nützlich machen, Ökologisch etwas auf die Beine stellen, kurz: sie wollen sich engagieren. Die Mädchen treffen auf ein Sammelsurium kurioser Figuren, wie etwa die beiden unzertrennlich erscheinenden Alten Hiller und Sebald. Hiller wird es sein, der der Ich-Erzählerin Panda die Lesart des Meeres und der Vögel nahebringt und ihre Liebe zur Literatur teilt. Oder Student Julian, mit dem Lotte ihre ersten schönen, aber auch schmerzhaften Erfahrungen mache wird. Und dann ist da noch der legendäre „Professor“, den die Mädchen zunächst nicht zu Gesicht bekommen.

Er hat die Vogelstation aufgebaut. Die anderen erzählen von ihm und das nicht immer gut. Die 15-jährigen Mädchen werden sich am Ende ihrer Reise fragen, ob sie ihren Idealismus mit ins Erwachsensein werden retten können. Neudecker wählt einen wunderbaren Anfang für ihren Roman: „Es gibt diese Sommer nur in der Kindheit oder in der Jugend. Oder im Übergang vom einen zum anderen. Ich habe nie wieder so etwas erlebt. Dabei war jener Sommer eher ein Frühling. Und er dauerte nur zwei Wochen lang.“ In diesem Beginn steckt eine bittere Süße, die das ganze Buch durchzieht.

Ohne falsche Sentimentalität schreibt die Autorin über die Intensität der Jugend als Lektüre für Erwachsene. Dazu kommt, dass sie die seltene Kunst beherrscht, mitreißend Natur und ihre Phänomene zu schildern. Selbst wer der Klaviatur der Vogelkunde nicht mächtig ist, kann die Beschreibungen genießen. Obenauf gibt es die spannende Legende der versunkenen Stadt Rungholt. Jeder Satz sitzt, kein Wort ist zuviel. Neudecker verschafft ihrem Roman eine unglaubliche Leichtigkeit wie eine laue Brise am Strand und dem Leser damit ein sommerlich-luftiges Lesevergnügen, dass die Seite nur so vorüber fliegen. Vor allem: kein Kitsch, nirgends. Herrlich!

5 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Reisen