lesezeit.info header image 2

Tom Rachmann „Die Unperfekten“

Mai 27th, 2013 ·

Schauplatz: eine internationale Tageszeitung in der ewigen Stadt Rom. Nach ihrer Gründung in den 1950er Jahren erlebte sie ihre Blütezeit mit eifrigen Reportern, hohen Auflagen und Berichten aus aller Welt. In der Gegenwart angekommen, stolpern die Zeitungsmacher und ihr nur dem Schöngeistigen verpflichteter Verleger dem Niedergang entgegen. Die verschrobenen Mitarbeiter bilden einen Mikrokosmos. Wie Gestirne kreisen sie um sich und ihre beruflichen wie privaten Probleme. Die superehrgeizige Chefredakteurin Kathleen Solson etwa hat Erfolg im Beruf und Schwierigkeiten im Zwischenmenschlichen. Dem cholerischen Chefkorrektor Herman Cohen – nach jahrelanger sprachlicher Erbsenzählerei nebst selbst erstellter „Sprachbibel“ – kommen Zweifel am Sinn seiner sorgfältigen Grammatikkorrekturen. Auch die furchtbar einsame Textredakteurin Ruby Zaga tummelt sich im inzwischen geschrumpften Journalistenpool.

Rachmann, von Beruf ebenfalls Journalist, schrieb mit seinem Debüt „Die Unperfekten“ einen vortrefflichen Gesellschaftsroman, angesiedelt in der Medienbranche. Jede der Figuren kämpft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Untergang der Zeitung, aber auch gegen die private Tragik. Manchen Protagonisten wird der Sprung in ein anderes Leben gelingen, andere werden auf der Strecke bleiben. Das Unperfekte, das in jeder Zeile „atmet“, könnte tragisch sein. Ist es auch. Gelegentlich.

Dem Autor gelingt es, dem Unperfekten, das in jeder Menschenseele wohnt, Momente des Komischen abzugewinnen. Entlarvend sind die Rezensionen der realen Zeitungshäuser: So selbstbezüglich wie die Protagonisten im Roman, rezensieren die Kritiker die Lektüre fast ausschließlich über die gesammelten Neurosen und Archetypen einer Zeitung. Dabei geht es um mehr. Es geht um Menschen, die im wahrsten Sinne „unperfekt“ sind, es geht um das Menschliche, allzu Menschliche. Im Mittepunkt des Romans stehen keine Gewinner, sondern Menschen wie du und ich. Und diese Geschichten können überall spielen.

4 von 5 Punkten

Tags: Belletristik