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Tom Herden „Gellengold“

Juli 25th, 2015 ·

Hauptkommissar Stefan Rieder ist ausgebrannt. Zu viele kräftezehrende Einsätze in Berlin fordern ihren Tribut. Als eine Stelle auf Hiddensee ausgeschrieben wird, greift er zu. Beschaulich scheint die Insel, wohltuend ruhig. Morgens mit den Wellen aufstehen, ein bisschen auf die Touristen achtgegeben und abends mit dem Rauschen der Wellen im Ohr wieder ins Bett gehen. So jedenfalls stellt es sich Rieder vor. Aber die Insel hat schon einen Polizisten: Damp. Und der sieht den neuen Kollegen gar nicht gerne in seinem Revier. Damp hat es sich gemütlich eingerichtet: Ab und zu Abmahnungen für junge Leute wegen nächtlicher Ruhestörung am Strand, immer mal wieder Knöllchen an die Gastronomen für deren Tische, die zu weit in den Gehweg ragen und als besonderes Vergnügen Strafzettel für die Inselbewohner wegen fehlender Leuchten an ihren Rädern. Da hat er schon genug zutun und braucht nicht den oberschlauen Kollegen aus der Hauptstadt.

Doch als ein Mord geschieht müssen die beiden ungleichen Beamten wohl oder übel zusammenarbeiten, denn der Fall ist kniffeliger, als es zunächst den Anschein hat. Rieder und Damp bleiben nicht die einzigen skurrilen Figuren im Buch. Da wäre etwa noch Rieders Vermieter Malte. Ein Original, bei dem der Inselfunk zusammenläuft. Oder die Lokalbesitzerin Charlotte, die Rieder außerordentlich gut gefällt.

Herden versteht es, das Inselleben so zu schildern, dass der Leser einen Mehrwert hat: Jeder, dem noch nie eine Innenschau auf das Leben Hiddensees oder einer Insel vergönnt war, erahnt, wie komplex die Verflechtungen einer eingeschworenen Gemeinschaft fernab vom Touriverkehr funktionieren. Die dörflichen Strukturen sind authentisch erzählt und mit einer ordentlichen Prise Spaß gewürzt . Gut, dass Herden den mental wie körperlich unflexiblen Damp nicht der Lächerlichkeit preisgibt, obwohl er sich geradezu anbietet. Die Auflösung des Mordes ist erstaunlich komplex für einen (Insel-) Krimi, selbst für geübte Leseermittler.

Inzwischen sind zwei weitere Rieder/Damp-Krimis erschienen: „Toter Kerl“ und „Norderende“. Sie können durchweg das großartige Niveau halten. Wie in vielen Reihen üblich, empfiehlt es sich, chronologisch zu lesen. Die Figuren entwickeln sich von Band zu Band weiter und gewinnen an Profil. Extrem frustrierend ist das außerordentlich schlampige Lektorat. Dass Rechtschreibe- und Grammatikfehler in einem 300-seitigen Buch auftauschen – geschenkt. Aber die Häufung in allen drei Bänden ist bemerkenswert, wobei im 3. Band sogar Worte in Sätzen fehlen. Bei einer inhaltlich so guten Reihe wünscht man sich allein schon für den Autor mehr Sorgfalt am Text.

4 von 5 Punkten

Tags: Krimis