Hässlich war die Mutter schon als Kind. Aber hochbegabt, ehrgeizig und in allem, was sie machte, sehr gut. Etwas anderes hätte ihr Vater nicht zugelassen. Hässlich ist die Mutter noch immer, als sie, vom Krebs bettlägerig geworden, der namenlosen Tochter ihr Leben erzählt, ein Leben, das die Tochter so nicht kannte, das am Ende allerdings auch sie betrifft.
Zwischen der Vereinnahmung des ehrgeizigen Großvaters, der mit seinem Modehaus gegen jeden Widerstand immer höher hinaus will, der wehleidig-krankheitsanfälligen Großmutter, dem Medizinstudium und ihrem sie vergötternden Freund, schlägt vollkommen überraschend die Liebe in die Mutter „ein“. Ausgerechnet dafür aber fehlt ihr das Können. Was folgt ist die Chronologie eines so grandiosen Scheiterns und des Schmerzens, das es kaum auszuhalten wäre, wenn Sarah Stricker nicht so kunstfertig erzählen könnte.
Ein bemerkenswertes Stück Literatur ist ihr mit dem Debütroman gelungen. Prall der Inhalt, gewandt die Wortwahl, ätzend der Humor. Stricker schafft es immer wieder vom einen auf den anderen Satz mit brutaler Heiterkeit zu überraschen. Es ist ein Buch über ein Leben, in dem Zufall und Liebe nichts zu suchen haben und trotzdem zuschlagen. Es ist aber auch ein Buch über Identitäten: Wer soll Ich sein? Wer will Ich sein? Wie werde ich Ich? Ein wirklich starker literarischer Auftakt.
4 von 5 Punkten