Fiktionale Darstellungen neigten dazu Piraten zu romantisieren, sie zu idealisieren und ihnen und ihren Taten ein gerüttelt Maß an Humor angedeihen zu lassen. Die Räuber der Meere erscheinen besonders in den für Kinder zugedachten Medien als Spaßvögel auf dem Wasser. Ein Grund mag darin liegen, dass sie damit ihren Schrecken für alle anderen verlieren. Ganz anders verhält es sich in der vom algerisch-französischen Zeichner Dominique Duprez alias Riff Reb’s geschaffenen Graphic Novel. Sie basiert locker auf Erzählungen des französischen Abenteuerautors Pierre Mac Orlan.

Im vorliegenden Band berichtet ein namenloser Erzähler darüber, wie er schon als 14-Jähriger wie nebenbei einen Mord an einem gleichaltrigen Mädchen begeht. Auf seiner Flucht stößt er auf eine Piratenband. Er heuert auf der Morgenstern an, die von Kapitän George Merry angeführt und deren Freibeuter Angst und Schrecken an Land und vor allem zu Wasser verbreiten. Besonders Schiffsarzt Mac Graw ist dem Jungen zugetan. Von Mac Graw lernt ihm Lesen und Schreiben, vom Arzt lernt er aber auch seine Skrupellosigkeit auszubauen.

Die Form der Graphic Novel mag im ersten Augenblick täuschen: Die Erzählung ist nicht für Kinder gedacht. Riff Reb’s Piraten leiden an Hunger und unbeständiger See, bringen Tod und Gewalt, sind gierig und lüstern. Die Geschichte ist in Episoden strukturiert. Sie erlauben eine Gesamtschau auf die raue Wirklichkeit des 18. Jahrhunderts und das Leben an Bord eines (Piraten-) Schiffs, ohne den fiktionalen Charme einer Erzählung zu untergraben.

Mit meisterlichem Strich führt Riff Reb’s seine erbarmungslosen Helden bis ans Ende der Geschichte – und ihr eigenes. Jedes einzelne Panel ist detailliert gestaltet, so dass die Figuren ganz lebendig erscheinen. Die filigranen Bilder mit ihrer düsteren Farbgebung spiegeln die dunkle Geschichte dieser Piraten auch atmosphärisch wider. Und als Schmankerl am Schluss sind dem Buch Riff Reb’s Figurenstudien beigefügt. Ein Buch, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt.

4 von 5 Punkten