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Marina Lewycka „Die Werte der modernen Welt unter Berücksichtigung diverser Kleintiere“

Mai 18th, 2013 ·

Für Idealisten, Aktien-Phobiker und Vertreter traditionellen Tauschhandels repräsentiert die Londoner Börse den Ausbund des Teufels. Im Zentrum der Spekulationen und des Zockens hat Serge als Analyst sein Spielfeld für das ganz große Geld gefunden. Eigentlich seine Sache, aber der Mathematik-Promovent ist in einer Hippie-Kommune aufgewachsen. Antikapitalismus, Konsumverzicht, Freiheit, vor allem die sexuelle, standen ganz oben auf der Werteskala. Nun gilt es Schwester Clara, dem Lebensentwurf ihrer politisch korrekten Eltern folgend Lehrerin an einer Schule für sozial Unterprivilegierte geworden und Mutter Doro, Kämpferin für den Weltfrieden, unter allen Umständen die monetäre Gesinnung zu verschweigen.

Während schon die ersten dunklen Wolken am globalen Finanzhimmel aufziehen, planen ausgerechnet die Hippie-Eltern zugunsten einer bürgerlichen Heirat ihren Status der wilden Ehe aufzugeben. Außerdem will Nesthäkchen Oolie Anna unbedingt ausziehen, gegen den Willen der überbehütenden Doro aus Sorge um ihre Tochter mit Down Syndrom. Clara indes versucht einem Klassen-Bengel pädagogisch wertvoll die Grenzen aufzuzeigen und halbherzig ihr Liebesleben aufzupolieren. Dann wäre da noch der Kampf für den Erhalt der Schrebergartenkolonie, illegale Börsenspekulationen und das Ableben verschiedener Haustiere durch tragische Umstände.

Warmherzig, raffiniert, witzig und temporeich erzählt Lewycka (bekannt geworden durch ihr überbewertetes Buch „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“) ihren Roman. So schön hat noch kein Autor die diametralen Ideologien der Alt-68er und der Profit-Geier aufeinander prallen lassen. Es ist eine Lust Lewycka in den Abgrund ihrer Geschichte zu folgen. Besonders schön kommt das Vorlesetalent von Simon Roden zum tragen. Während die Figuren immer aufgeregter agieren und dem Zenit ihres Scheiterns zustreben, bleibt Roden ruhig, ohne zu langweilen. Er modelliert bei den richtigen Textpassagen seine Stimme, so dass man ihm gerne bis zum Romanende folgt. Sprecher Roden und Lewyckas Satire sind optimal miteinander kombiniert.

5 von 5 Punkte

Tags: Hörbücher