Patty und Walter Berglund sind Vorzeigepaar, vorbildliche Nachbarn und verständnisvolle Eltern zweier Kinder inmitten eines aufstrebenden Viertels in Minnesotas Hauptstadt St. Paul. Sie wirkt als ideale Hausfrau und Mutter, er engagiert sich beruflich im Umweltschutz. Doch eines Tages bricht die vermeidlich heile Welt auf. Sohn Joey zieht zu reaktionären Nachbarn, Walter verheddert sich in seinen beruflichen Ambitionen, Rockmusiker und Walters bester Freund Richard trägt seinen ganz eigenen Teil zum Berglundschen Chaos bei. Alles scheint aus dem Tritt. Aber ist das wirklich so? Und wie verknüpfen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dreier Erwachsener, die sich ihre Lebensentwürfe in jungen Jahren so ganz anders gewünscht hatten, als sich die Entwürfe in ihren mittleren Jahren darstellen?
„Freiheit“ – Jonathan Franzens Titel seines neuen Romans ist Programm. Der amerikanische Autor („Die Korrekturen“) lässt uns in ein Kaleidoskop schauen, ein Kaleidoskop unzählig schillernder Möglichkeiten, Freiheit zu definieren, an ihr zu scheitern, sich von ihr zu entfernen, sie zu hassen, sie zu lieben. Und immer ist die Freiheit etwas, wonach wir Menschen streben sollten. Genauer: Sie ist ein Lebensgefühl, wonach wir streben müssen, auch wenn wir uns manchmal in einem festgezurrten Kokon an Zwängen vor ihr verstecken. Darüber hinaus resümiert Franzen über 30 Jahre amerikanische Geschichte entlang der Familie Berglund – nie sind die Machenschaften George W. Bushs in einem Roman schärfer analysiert worden als in diesem.
Außer der eigentlichen Geschichte ist auch der Schreibstil Franzens vorzüglich. Elegant wechselt der Autor in verschiedene Erzählperspektiven: Mal rückt Patty in den Fokus, mal Walter, mal gibt der Text einen objektiven, ja beinahe nüchternen Blick auf die Familie Berglund frei. Ganz und gar unaufdringlich und fein ziseliert streut Franzen eine Portion Ironie über sein Werk, die die unerträglichen Katastrophen beinahe erträglich machen. Mit einer unglaublichen Sensibilität und Liebe zu jeder seiner Figuren schildert Franzen eine rundherum großartige Geschichte über eine großartige menschliche Chance, die da Freiheit heißt.
5 von 5 Punkten