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Hernán Rivera Letelier „Die Filmerzählerin“

Mai 27th, 2013 ·

Eine Minensiedlung zum Abbau von Salpeter mitten in der chilenischen Wüste: Das Leben ist geprägt durch Arbeit und Tristesse. Allein ein kleines Kino bringt etwas Farbe in den Alltag, aber nicht jede Familie kann sich einen wöchentlichen Gang zu dieser Vergnüglichkeit leisten. So geht es auch der Familie der 10-jährigen María Margarita, deren Mutter nach der Geburt der fünf Kinder weggelaufen ist. Der Vater sitzt nach einem Unfall daheim, hält mit seiner kleinen Rente gerade so die sechsköpfige Familie am Leben.

Eines Tages stellt sich heraus, dass María Margarita ein unglaubliches Talent besitzt: Sie kann Filme so nacherzählen, dass die Geschichten fast besser sind als das Original auf der Leinwand. Der emotionale und finanzielle Aufstieg der Familie beginnt, denn das Erzählwunder hat sich im ganzen Dorf herumgesprochen und alle wollen dabei sein. Eines Tages jedoch wendet sich das Blatt für das Mädchen, den Vater, die Familie und mithin für die Dorfgemeinschaft.

Der Roman feiert die Kraft der Imagination, die Lust am Leben gegen alle Widrigkeiten und – gerade in Zeiten der Trauer – die tröstliche Zuneigung zum Film und dem Dunkel des Kinos. Die kurzen Kapitel reihen sich wie schnelle Filmsequenzen aneinander. Hier ist kein Platz für überflüssige Worte oder ausgedehnte Erklärungen. Damit ist der Roman einerseits knapp auf den Punkt gebracht mit viel Raum für Phantasie, andererseits wirkt der Erzählstil atemlos. Kaum hat einen Leselust gepackt und man beginnt die Figuren kennenzulernen, ist man auch schon durch mit dem Buch. Ich hätte mir mehr Raum für mehr Substanz gewünscht.

3 von 5 Punkten

Tags: Belletristik