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Hermann Koch „Angerichtet“

Mai 27th, 2013 ·

Vier Erwachsene treffen sich an einem lauen Frühjahrsabend in einem Sternerestaurant. Es sind zwei Elternpaare des gut situierten niederländischen Bürgertums. Statt in harmonischer Eintracht für viel Geld das übersichtliche Essen der Nouvelle Cuisine zu genießen, bildet den Mittelpunkt des Abends ein Gespräch über das grauenhafte Verbrechen ihrer halbwüchsigen Söhne. Bisher wissen nur die Eltern und die Täter von der schaurigen Tat. Im Verlauf der Stunden wollen drei von ihnen das Verbrechen mit aller Macht auf sich beruhen lassen. Nur einer plant, die Öffentlichkeit zu suchen.

Autor Koch wirft uns zwischen Aperitif und Trinkgeld von einer Sympathie zur nächsten: Mal verstehen wir die Motive dieser Mutter, mal jenes Vaters. Alle haben für ihre Gedanken und Entscheidungen Gründe. Irgendwie. Denken wir. Gerade weil sie uns durch ihre scheinbare Normalität menschlich so nahe kommen. Und wir fühlen mit dem Ich-Erzähler. Ausgerechnet! Seine Überlegungen, seine Handlungen erscheinen erfrischend rebellisch in einer Welt voll von starren Benimmregeln. Zuletzt aber bleiben wir zurück mit einem Topf voller Fragen: Wem gebe ich mein Verständnis, mein Mitgefühl? Was ist richtig, was falsch? Hinter dem Falschen, gibt es da etwas Richtiges, Verständliches, Wahres?

Der unschuldig wirkende, aber präzise gesetzte Humor, mit dem der niederländische Schriftsteller und Komiker Koch die Atmosphäre seines Romans garniert, gleicht einer verdorbenen Muschel: Ihre üble Wirkung entfaltet sich erst lange nach dem Verzehr. Am Ende des Romans liegen alle Argumente auf dem verwüsteten Tisch. Wir sehen, welcher der Elternteile von welchen Interessen geleitet wird. Und die Interessen sind durchaus nicht immer altruistisch geprägt. Finden Sie bei diesem exquisiten literarischen Menü selbst heraus, was Koch bei Ihnen „angerichtet“ hat. Bon Appétit!

5 von 5 Punkten

Tags: Belletristik · Krimis