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Flake, „Der Tastenficker“

Januar 2nd, 2016 ·

Christian Lorenz, genannt Flake, ist Keyboarder des musikalischen Erfolgs(exportes) Rammstein. Eine kreative Pause der Band hat er genutzt, um seine Erinnerungen – oder besser: seine Sicht auf die Welt – niederzuschreiben. Das Beste am Buch: Von Rammstein ist, bis auf eineinhalb Mal, nichts zu lesen. Dafür gibt es viel zum Thema „Leben in der DDR“ und zwar von innen heraus, von einem, der am Prenzlauer Berg aufwuchs, als das Viertel noch weit weg von Schickimicki und „Einmal Milchkaffee mit Soja“ war. Flake outet sich in seinem Buch als wohlwollender Vertreter der untergegangenen Republik und des von ihr vertretenen Sozialismus’, wobei er zwischen allem Sentimentalismus durchaus kritische Töne findet, genauso im Übrigen wie für den im Westen bis zum Exzess gelebten Kapitalismus und der Wachstumshörigkeit.

Je weiter der Text voranschreitet, desto klarer wird auch, warum. Wenn Flake eines fern liegt, dann materielle Besitztümer. Kurios, bei einem, der in einer der gewinnträchtigsten Musikbands weltweit mittut? Nicht ganz. Zum einen – davon erzählt er weiter hinten im Buch – ging reichlich Geld bei reichlich schlechten Geschäften drauf, zum anderen sind ein Sack voll Kinder und eine Ehefrau zu ernähren. Darüber hinaus war es mehr Zufall als Strategie, überhaupt bei einer Musikkapelle, wie etwa der in der DDR populären Punk-Band Feeling B, mitzuspielen. Ruhm und Ehre war weniger Flakes Motiv als leidenschaftliches Interesse an Musik und – später – das Beeindrucken der Damenwelt. In diesem Zusammenhang erklärt der Keyboarder die Bedeutung des Buchtitels, die weit weniger spektakulär ausfällt, als vermutet.

Was das Buch besonders auszeichnet, ist der ganz eigene Humor, Selbstironie und das Freigeistige in Flakes Erinnerungen und Erzählungen. Er erklärt zu Beginn wie das Buch zu lesen ist: „Es kann sein, dass ich mir in dieser Erzählung laufend widerspreche. Das liegt an meinem Gehirn. Da kommen ständig neue Erinnerungen herein und legen sich irgendwo nieder. Und wenn ich dann nach einer Erinnerung suche, liegt schon eine andere Erinnerung darüber, und ich finde sie nicht.“ So schön sind memorierte Widersprüche noch nie erklärt worden! Garniert ist der Text mit zahlreichen Fotos aus Vergangenheit und Gegenwart, Briefen und Selbstgemaltem. Besonders aufschlussreich sind die Bildunterschriften. Das Buch ist auch für Menschen geeignet, die musikalisch nichts mit Rammstein anzufangen wissen. Und für die anderen: sowieso!

5 von 5 Punkten

Tags: Biografien · Humor