Kaiser Heinrich IV trat im 11. Jahrhundert den Gang ins italienische Canossa an, um seine Reue gegenüber der Kirche zu signalisieren und so den Bannspruch des Papstes zu tilgen. Die heutige Bedeutung „Gang nach Canossa“ ist soweit weg vom Ursprung nicht: Die Redensart bezeichnet den Weg der Buße. Journalist Dennis Gastmann („Mit 80.000 Fragen um die Welt“) hat genau diesen Weg eingeschlagen. Überwiegend zu Fuß, gut 1.000 Kilometer weit und 11 Wochen lang. Sein vager Grund: Gehirn ausschalten „in meinem Kopf ist ständig Disco“, sich verausgaben, seine Zweifel auf dem langen Marsch zwischen ihm „und dem Universum“ klären.
Ausgestattet mit Rucksack, Wanderschuhen und Wollsocken begegnet er nicht nur sich selbst in extremen Situationen neu, sondern vor allem anderen Menschen und ihren Geschichten: Da ist der bekehrte Börsenguru aus Frankfurt am Main, die Zeugen Jehovas in Neustadt und der Priester in Speyer. Auch kann man von Gastmann noch einiges über französische SB-Hotels lernen und die Chancen, per pedes über die Alpen zu kommen.
Das Einbuchen in das Genfer Hotel, indem seinerzeit Uwe Barschel in einer Badewanne seinen Tod fand, mutet pubertär-albern an. Nach hinten hin wird Gastmanns Wanderbericht außerdem ein wenig geschwätzig, dennoch hebt sich die Lektüre wohltuend von allen anderen selbstbeweihräuchernden Promi-Pilger-Niederschriften ab. Der überwiegend intelligente Humor und die skurrilen Begegnungen, mit denen Gastmann seinen Wanderbericht garniert, bereiten auch passionierten Autofahrern Freude. Ob Gastmanns Reiseende seinen Erwartungen entsprochen hat? Lesen Sie selbst.
4 von 5 Punkten