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Daryl Gregory, „Afterparty“

Juni 25th, 2017 ·

Autor Gregory entwirft eine Zukunft, in der es möglich ist mit sogenannten Chemjets Drogen zu drucken und sie nahezu unbegrenzt zu verbreiten. Darunter fällt auch die Droge Numen, die den Nutzer einen spirituellen Führer in Form eines Gottes oder Engels sehen lässt. Neurochemikerin und Numen-Mitentwicklerin Lydia Rose will dringend die Verbreitung der Droge verhindern. Gedacht hatten Lydia und ihre ehemaligen Kollegen die Droge ursprünglich als Heilmittel gegen Schizophrenie. Die Entwicklung des Mittels und des kleinen Teams lief allerdings vollkommen aus dem Ruder.

Lydia landet nach einer katastrophalen Nacht mit einer unfreiwilligen Dosis Numen im Blut in der Psychiatrie, das Team zerfällt. Die Beteiligten einigen sich zuvor noch, dass ihr Mittel unter Verschluss gehalten werden soll. Als trotzdem ein junges Mädchen an den Folgen von Numen stirbt, beginnt Lydia die möglichen Verantwortlichen mit starrköpfiger Besessenheit zu verfolgt. Lediglich zwei ehemalige Mitpatienten stehen Lydia bei der Mission zur Seite. Genauso wie es Lydias ganz persönlicher Engel Dr. Gloria tut. Zwischen Wahn und Wirklichkeit beginnt ein wilder Parforceritt über den nordamerikanischen Kontinent.

Was für ein großartiges Setting für einen Science Fiction, der dicht an unsere Gegenwart angelehnt ist: eine Droge, die einen individuellen Gott oder Engel im Kopf des Nutzers generiert, Drucker für illegale Substanzen, eine Neurochemikerin im Kampf mit der eigenen – psychischen – Gesundheit, neuartige Strukturen mafiöser Zusammenschlüsse wie die „Millies“ – ein Ring von Frauen aus Afghanistan, die sich die Welt der ehemaligen Invasoren auf ihre ganz eigene, raffinierte Weise zu eigenen machen. Sehr schön auch die Auflösung der gegenwärtigen Grenzen zum Bereich LGBTI – zumindest ein bisschen – durch die sexuelle Orientierung der Protagonistin, die Thema ist, aber zu keinem gemacht wird.

Gregory lässt bedauerlicherweise viele seiner großartigen Einfälle versanden. Statt deren Details zu verknüpfen, zu vertiefen und eine eigene Welt zu kreieren, statt ein kluges und spannendes Werk zu Fragen nach Spiritualität und Rauschzuständen zu stellen (wie auf dem Klappentext zu Unrecht behauptet), sumpft das Buch herum in altbekannter Actionmanier und einer im weiteren Verlauf ermüdenden Suche nach dem Drogen-Drucker. Der männliche Autor schreibt mit Lydia Rose eine weibliche Hauptperson. Ein gängiges Phänomen in der Literatur auch in umgekehrter Form und mit unterschiedlichem Erfolg. In diesem Science Fiction ging der Kniff gründlich daneben. Lydia verhält sich und denkt genauso wie jeder x-beliebige männliche Actionheld in einem B-Movie.

Und dann die Idee mit Lydias individuellem Engel. Was alles daraus hätte werden können und dann doch nicht wurde! Auf eine kurze Formel gebracht: Immer dann, wenn Dr. Gloria zum Humor bzw. Tiefgang der Geschichte beigetragen hätte können, zieht Greogry diese Figur zurück. Als würde er seine Idee schriftstellerisch nicht wirklich verwerten können. Ärgerlich und handwerklich einfach schlecht recherchiert ist die veraltete Annahme, der Mensch hätte letztlich keinen freien Willen. Wissenschaftlich ist diese These seit ein paar Jahren widerlegt. Auch hier traut sich der Autor nicht nach vorn, um eigene Überlegungen ins Spiel zu bringen. Mit wenigen Erwartungen an die tatsächliche Umsetzung der reichhaltigen Einfälle und mit Spaß an leichter Lektüre, ist das Buch literarisches Fastfood für einen unangestrengten Sommertag.

3 von 5 Punkten

Tags: Science Fiction · Krimis