Charakterkopf Joe Bausch ist Drehbuchautor, Theater- sowie Filmschauspieler – z. B. bekannt als „Tatort“-Pathologe Dr. Joseph Roth – und seit über 20 Jahren leitender Arzt in der Justizvollzugsanstalt Werl. Nun ist er unter die Buchschreiber gegangen, berichtet von seinem „Knast“-Alltag. Bausch erzählt warum er als approbierter Frischling in Werl nur eine Zwischenstation einlegen wollte, dann aber bis heute blieb, welche Probleme und welche ergreifenden Momente es hinter Gittern gibt.

Im Mittelpunkt allerdings stehen die Häftlinge: ein Mikrokosmos aus Hierarchien und Ritualen. Bausch schreibt über den typischen Gefängnisgeruch und notiert tragische Schicksale, die eine Tat nicht entschuldigen, sie aber für Außenstehende verständlicher machen. Durchaus humorig sind die Beschreibungen verschiedener Täter-Typen. Das Buch setzt sich durch den ruhigen Erzählstil wohltuend ab von aufmerksamkeitsheischenden Büchern über Gefängnisse oder (Serien-)Täter. Zum Schluss hält Bausch ein Plädoyer für einen viel humaneren Umgang mit Häftlingen. Dem kann man folgen oder nicht. Deutlich allerdings wird gerade in diesem Teil, wie sehr dem Arzt seine Arbeit und wie sehr ihm sein Klientel am Herzen liegt.

Einen Punktabzug gibt es für die eingestreuten derben Ausdrücke. Bausch schreibt überwiegend in einem verständlichen, gepflegten Stil. Es ist überflüssig, die „Knastatmo“ durch Fäkalsprache deutlicher zu untermauern.

4 von 5 Punkten